Evgenij Kozlov
"Die Liebe zur Liebe"

Lack auf grundiertem Stoff, 104 x 338 cm , 1996

Weitere Motive




Zitate des Künstlers in Anführungszeichen

Zur Technik der Leinwand
Stichwort: Rahmen

Das Ende 1996 geschaffene Werk ist das letzte dreier großformatiger Bilder, für die Evgenij Kozlov als Untergrund eine Ende der achtziger Jahre entwickelte Technik benutzt hat: eine große Stoffbahn oder auch zusammengesetzte Stoffteile werden durch Stoffstreifen mit unterschiedlichen Mustern eingesäumt. Dabei wird eine unregelmäßige, gewellt-gezackte Randstruktur erzeugt. Dieser Saum wird durch ein ornamentales Zickzackmuster abgesteppt. Danach wird das Material auf einer Wand straff gespannt, indem in die Zacken des Saumes Nägel eingeschlagen werden und der Stoff dabei maximal auseinandergezogen wird. Durch das anschließende mehrmalige Grundieren des Stoffes von beiden Seiten erhält dieser Festigkeit und kann später von der Wand abgenommen werden, ohne seine Form zu verlieren.

Auf diese Weise erhält das Bild von vorneherein einen Rahmen, der in der Regel durch eine Randgestaltung ins Bildinnere weitergeführt wird.

"Der Rahmen als solcher ist nicht das Wichtigste am Bild, aber ohne ihn würde das Bild möglicherweise nicht existieren. Er erzeugt den inneren Zustand der Petersburger, wahrscheinlich sogar einfach der russischen Seele, der äußerst hilfreich ist, wenn du beim Arbeiten auf das Bild schaust und über das nachdenkst, was als nächstes kommt. Anschließend kann man wieder alles wegnehmen oder auch nicht oder damit spielen. Auf jeden Fall ist es ein ergiebiger Ansatz."

Dieser "Rahmen" bildet für den Betrachter den Einstieg in die künstlerische Arbeit, trennt zwischen Alltag und schöpferischem Prozeß.

Thema: St. Petersburg
Stichworte: Stadt/Brücke/Wolkenkratzer mit Figuren/Flügel

"Der beste Einfall kam zum Schluß, nämlich diese Brücke zu errichten, die sich öffnet. Hier sind alle wichtigen Elemente St. Peterburgs anwesend. Es scheint ja die eigentliche Stadt St. Petersburg auf diesem Hügel ziemlich klein zu sein. Tatsächlich ist sie aber das wichtigste Element, wenn man vorurteilslos und aufmerksam das Bild betrachtet. Ich habe mich lange um die richtige Größe dieses Hügels bemüht. Am Anfang war er ja recht groß, man sieht hier noch, wie er verlief. Er war ganz offensichtlich nicht richtig, und es waren auch zu viele Fenster drin, die im Grunde die Komposition gestört haben.
Wenn ich im Sinn hätte eine kosmische Arbeit, dann würde ich von all dem, was jetzt anwesend ist, das Element der Stadt wegnehmen, dann kann man sie weiter als Kosmos aufbauen.Das wäre auch schön, aber zuviel. Nicht, weil es zu schön wäre, sondern für diese wichtige Arbeit, die sich auf St. Petersburg bezieht, zu wenig konkret. Und diese beiden Typen, die im Zentrum den Wolkenkratzer küssen, das ist natürlich eine Forschungsaufgabe, für jeden, der sich dazu aufgerufen fühlt, für jeden Betrachter. Das ist das Geheimnis, das ich bei mir habe und das ich kenne, aber für jeden anderen ist es vielleicht ein anderes. Die Flügel jedenfalls sind in Wirklichkeit keine Flügel, sondern Kräfte dieser Stadt - genauer genommen nicht der Stadt, sondern sie sind das, was diese Stadt ohne Unterlaß liebt, und das, was über dieser Stadt ständig an sie denkt und ihr hilft. Weil sie schön ist. Sie ist schwierig und schön.

Die Flügel setzen die Bewegung der Figuren fort. Sie formen ein X, ein Y und ein Z, also das Ende des Alphabets. Denn es gibt ja auch das A der Brücke und somit das ganze Alphabet.

Die roten Felder der Brücke bilden ein Kreuz, wenn man sie über den Bildrand weiterführt. Diese Arbeit ist wichtig darin, daß man ihr Format vergrößern könnte, um das Kreuz zu bilden. Üblicherweise bildet man alles innerhalb des Formates ab. Hier habe ich die Hoffnung, daß der Betrachter es von alleine weiterführt."

Komposition
Stichwort: Musikalität
Bewegung; Tempo; Tiefe

"Musikalisch ausgedrückt, ist das Bild eine Mischung von Mozart, Salieri und Phillip Glass.

Wenn man das Bild auf seinen Gedanken zurückführt, die Reinheit der Farbe, das Verhältnis der Bewegungen zueinander, die großen Tropfen zu den kleinen, das ist Mozart. Bewegung ist bei ihm intuitiv. Wichtig ist, was er ausdrückt, der Rest kommt von selbst.

Wenn wir das Bild auf seine Bewegung (seinen Rhythmus) reduzieren, so finden wir Salieri. Die Bewegung ist nummeriert, komponiert, einfach und kompliziert.

Ließe man das zentrale Element des Wolkenkratzers und der Figuren weg, so blieben parallele Linien und einzelne Elemente, verschiedene Punkte, verschiedene freie, offene Räume, die gleichzeitig mit Farbe gefüllt sind: das ist das Kompositionsprinzip von Phillip Glass: die Wiederholung, die innere Welt. Die Zähnchen im Rahmen nehmen dieses Prinzip auf. Das Gitter ruft einen seltsamen Effekt hervor. Beim Betrachten springt der Blick von unten nach oben, von oben nach unten. Der Blick bleibt nicht stehen und soll es auch nicht. Das ist zeitgenössische Magie."

Farbe
Stichwort: Wärme

"Zum ersten Mal habe ich in meiner Arbeit nicht Farben für die Körper genommen, sondern ausschließlich verschiedene Töne von Silber, diese Autolacke anstelle der abgestuften Grautöne, die ich in den Arbeiten davor benutzte, also hier Gradationen von Silber. Das war ungeheuer interessant und nachhaltig. Dazu kommt noch die Zusammenstellung mit der Farbe, die ich "geröstet" nennen möchte. Wenn man etwas in der Pfanne brät oder über dem Feuer, so eine Farbe ist das für mich. Alles in Kombination mit diesem Orange, das ich sehr lange gemischt habe, zuerst wollte ich im Geschäft eine orange Farbe kaufen.
Hier ist zum Beispiel ein konkretes Orange (Tesafilmrolle). Bei mir ist es vielleicht nicht ganz so konkret, es hat einen Stich ins rosa, aber wenn wir uns Rosa anschauen, wie hier zum Beispiel die Stadt St. Petersburg, dann sieht man das Orange ganz deutlich. Und die Verbindung dieses orangefarbenen Hintergrundes mit dem gerösteten Gold - es ist kein Bronze, es ist eine geröstete Farbe. Was den inneren Zustand dieser Farbe betrifft, so ist er sehr heiß. Es gibt zwar einige kalte Farben in dieser Arbeit, aber nur in ganz geringem Umfang, dieses Grün zum Beispiel. Jedenfalls ist die ganze Arbeit insgesamt sehr warm, und genau das habe ich beabsichtigt."
 
 

Format,
Stichwort: Schwerpunkte

Wenn man die Schwerpunkte des Bildes bestimmen will, stellt man fest, daß es Haupt- und Nebenzentren gibt, die notwendig sind, um dieses langgestreckte Format zu tragen.
Ungewöhnlich für Evgenij Kozlov ist die fast symmetrische Anordnung der Komposition
Hauptzentrum: 1. Schwerpunkt: Stadtsilhouette von St. Petersburg, 2. Schwerpunkt: Wolkenkratzer mit Figuren.
Nebenzentren: Säulen mit Kreisen

"Im Grunde ist es ziemlich schwierig, solch ein Format zu betrachten, es ist sehr lang, sehr schmal, und deshalb braucht es hier geheimnisvolle, appetitliche, angenehme - sowohl von der Farbe als auch besonders wichtig von der Größe her - kleine Kreise, sowie diese gerösteten - das sind nicht einfach Kreise, das sind Planeten."
 
 

Idee und Gedanke

"Das Bild ist nicht das Wichtigste im Schaffen des Künstlers. Das Wichtigste ist der Gedanke, die Idee.
Die "Flügel" sind vielleicht das Element des ausgehenden 20. Jahrhunderts und zeigen eine bestimmte Kraft, und zwar dessen, wohin die Kunst letztendlich angelangt ist. Die Form der Linien allein ist von ihrer Anordnung nicht interessant. Eben Linien. Aber die Linien bauen Gedanken, und wenn das in der Farbe harmonisch ist und in der Komposition, und wenn es solche Übergänge gibt wie abgebrochene Strukturen, dann ergibt das natürlich einen seltsamen Effekt. Eigentlich ist es gar nichts Besonderes, aber in Wirklichkeit ergibt es eben doch sehr viel. Eine neue Erfindung, die dem Blick etwas Angenehmenes bietet, und ebenso den Gedanken."

Schluß

"Die delikatesten Dinge muß man zum Schluß machen, denn die verderben niemals etwas. Gewürze, in der richtigen Dosierung zugeben, verderben den Geschmack des Gerichtes nie. Zuerst muß man das Gericht selbst zubereiten, d. h., den eigentlichen Gedanken. Danach kommt alles andere.
Aber die Zusätze (Farbspiralen, Farbtropfen) bauen die Kraft auf. Die meisten Künstler kümmern sich nicht um die Tropfen, die aus aus dem Pinsel laufen. Die Assoziation zur Pop-art fällt bei mir wegen der Tropfen. Aber ich steuere - soweit man von steuern sprechen kann.- die Richtung, Anzahl und Länge, reguliere, im Gegensatz zu den Pop-artists, denen es egal war."

zum Motiv: siehe...
"Schweres Blut (sehr Schweres Blut), 60 x 60 cm, 1996
"Die Unterirdischen Kinder" 184,5 x141 cm, 1996
"Der Wolkenkratzer des Verlangens", 60 x 60 cm, 1996

Schweres Blut (sehr Schweres Blut)
Die Unterirdischen Kinder
Der Wolkenkratzer des Verlangens
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