Die Kunst der Zukunft Seite 1


Evgenij Kozlov (E-E) und Hannelore Fobo im Gespräch, 1991

Искусство будущего стр. 1 стр. 2 стр. 3 стр. 4
Die Kunst der Zukunft Seite 1 Seite 2 Seite 3 Seite 4 Kommentar (deutsch)
The Art of the Future page 1 page 2 page 3 Page 4


E-E: Sämtliche neue Richtungen, die in der Kunst heute noch auftauchen, d.h. alles, was der Mensch mit den Händen gestaltet oder gestalten wird, berührt, vom Gesichtspunkt der „Kunst der Zukunft“ aus, nur technische Fragen. Das ist das Grundlegende. Im Sinne dieser Theorie sind es Techniken des Ausdrucks, der technische Aspekt der Kunst. Die „Kunst der Zukunft“ stellt sich nicht die Frage nach der Technik, mit deren Hilfe der Künstler etwas ausdrücken will. Für sie kommt es auf den inneren Zustand des Künstlers an, auf jenes Gefühl ... ja, hauptsächlich ist es natürlich ein Gefühl, das es ihm ermöglicht, etwas zu empfangen, und durch das er sich innerlich etwas schafft. Mit anderen Worten, primär ist das, was der Künstler fühlt und in seinem Inneren erschafft, damit später irgendwelche Bilder und dergleichen entstehen können. Das Schaffen der Bilder selbst kommt für ihn an zweiter Stelle.

H: Wenn auch an zweiter Stelle, so sind sie aber doch das einzige Mittel, wodurch —

E-E: die anderen Personen dies wahrnehmen

H: und daran teilnehmen können.

E-E: Ja, aber wie gesagt, das kommt erst an zweiter Stelle.

H: Das heißt, ausschlaggebend ist die individuelle Entwicklung des Menschen, nicht wahr? – Wenn der Künstler nur fühlen und nichts davon mitteilen würde, hätte der Vorgang dann dieselbe Bedeutung?

E-E: Es ist vielleicht so, dass zum jetzigen Zeitpunkt die große Masse der Menschen auf der Erde nicht fähig ist, in sich den inneren Zustand heranzumodellieren, den der Künstler in sich heranbildet, bevor er ihn anschließend durch irgendwelche Gegenstände ausdrückt, die sich außerhalb seiner selbst befinden. Mit Gegenständen meine ich zum Beispiel Papier, Leinwand, Gebäude.

H: Wenn du den Ausdruck „modellieren“ verwendest, heißt das, du tust etwas dafür, um dich in diesen Zustand zu versetzen?

E-E: Den Prozess habe ich bislang noch nicht erforscht, er läuft zunächst nicht über mein Bewusstsein; ich könnte aber genauso gut sagen, dass ich ihn selbst schaffe.

H: Und weißt du, auf welche Art?

E-E: Das Schema ist zwar im Prinzip klar, aber noch zu einfach. Vielleicht wird es ja im Laufe der Zeit noch verständlicher. Wir beide beschäftigen uns ja erst seit einem halben Jahr mit diesen Dingen.
Bisher weiß ich nur eins, dass die Schaffung eines echten Kunstwerks – so, dass es dem Zuschauer sichtbar und verständlich wird, - nur dann möglich ist, wenn man zuerst den Zustand erreicht, der sich „die Kunst der Zukunft“ nennt. Eben dieser innere Reichtum des Verlangens und dieses innere Verlangen wiederum nach Reichtum. Allgemein gesagt, ist das so.

H: Ich vermute, du bist mit diesem Verlangen auf die Welt gekommen.

E-E: Nun – ja. Früher war dieser Zustand nicht deutlich bestimmt. Er blieb verschwommen und chaotisch. Er stellte sich unvermittelt ein, blieb eine Weile und verschwand dann wieder. Ich verstand nicht, was da vorging und wozu. Dazuhin ließ ich mich ständig von allen möglichen Dingen ablenken, die im Leben so vorkommen. Als aber dieses Modell entstand, wurde mir mehr oder weniger klar, was sich da abspielt. Möglicherweise sind schon früher jemandem solche Gedanken gekommen, und er hat sie nur nicht ausgesprochen. Möglicherweise hat sich dieser Vorgang bei allen so unbestimmt vollzogen.

Bloß haben alle gedacht, es komme vorrangig darauf an, welches Handeln daraus entsteht, damit es für alle anderen verwertbar ist. Primär ist jedoch, was im Inneren des Menschen vorgeht. Und dabei ist wichtig, dass sich dieser innere Zustand stets aufs Neue schafft. Deswegen werden auch jedes Mal ganz andere Kunstwerke daraus, und deswegen ist es seltsam, warum so viele Künstler immer im selben Stil arbeiten. Vielleicht, weil sie sich prinzipiell daran orientieren, dass das Werk vom Zuschauer erkannt oder verstanden wird.
Denn alles, was der Mensch mit seinem Händen jemals schaffen wird — jedes beliebige seiner Bilder, jede seiner Zeichnungen, seiner musikalischen Anordnungen —, ist von vorneherein darauf programmiert, dass es den Menschen verständlich ist, eben weil es in eine den Menschen verständliche Form gebracht worden ist.

H: Willst du damit sagen, dass der Künstler generell gar nichts Unverständliches herstellen kann?

weiter: Die Kunst der Zukunft, Seite 2 >>

Evgenij Kozlov über die Kunst der Zukunft