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      E-E Evgenij Kozlov: art

(E-E) Evgenij Kozlov

Figuration

Arbeiten auf Papier

deutscher Text
Figuration. Works on paper. English text >>


(E-E) Evgenij Kozlov
ohne Titel (aus der Serie „Ольге от Валерия“ / „Für Olga von Valerij“)
untitled (from the series „For Olga from Valery“)
1989 / 1997. 33.5 x 25.3 cm, ballpoint pen, spray, cardboard
Inv.nr. E-E-197159

(E-E) Evgenij Kozlov. Figuration. Arbeiten auf Papier

Nach dem Erfolg des „Leningrader Albums“[1], einer Serie von frühen Zeichnungen Evgenij Kozlovs, von denen 150 auf der 55. Biennale di Venezia (2013) ausgestellt wurden, entstand der Wunsch, stilistisch verwandte Serien zu präsentieren. Die Wahl fiel auf „Die Siebziger“, „Für Olga von Valerij“, „Das Stundenbuch“ und „Die Italienische Serie“.[2] Es handelt sich um Serien, deren einzelne Blätter einen thematischen Zusammenhang besitzen, welcher durch Papier und Technik auch formal gegeben ist.

Das kleine Format – Papier in einer Größe bis zu etwa 70 x 50 cm[3] – ist für den Künstler ideal, wenn er Figuren, Formen und Symbole schafft, um sie über eine Reihe von Zeichnungen zu entwickeln. Hier kann er die Figuren und ihre Verbindungen zueinander auf vielfältige Weise variieren und differenzieren; sie erhalten gewissermaßen eine Biographie. Auf diese Weise entstehen Narrationen, die oft große Zeiträume umfassen, zum Beispiel „E-E Сказка / E-E Fairy tale, 1982 – 2007[4], „Das Buch für Leute, Prinzessinen und Prinzen (1991 – 2007)[5] oder der Zyklus „Jahrhundert XX (2008 bis heute) mit über 450 originalen Grafiken und ebenso vielen sogenannten „Lightboxes“[6].

Dass Evgenij Kozlov ein begnadeter Zeichner ist, zeigt sich an der Sicherheit der Linienführung, wenn er, oft in der Andeutung verbleibend, feinste Details für seine manchmal minimalistischen, manchmal hochkomplexen, überbordenden Kompositionen schafft. Sie ist Grundlage für die anspruchsvollste Aufgabe der Kunst: durch Mimik und Gestik den geistig-seelischen Ausdruck der Figuren zu gestalten.[7] An seinen Figuren erleben wir Wissen, Stärke, Wille, Verlangen, Spannung, Hingabe, Freude, Strenge, Schüchternheit, Versenkung, Anbetung, Rührung, Überraschung, Leidenschaft, Sanftheit und vieles mehr; dabei bleibt immer ein Rest, der nicht aufzulösen ist. Die Schönheit der Körper, die Klugheit der Gesichter, der subtile Humor der Darstellungen sind wie eine reife Süße, die den Betrachter auf ganz intime Weise anspricht.[8] Die Lebendigkeit der Empfindung verlebendigt alle anderen Teile der Kompositionen, so dass die Bezeichnung „Figuration“ auch auf nicht-figürliche, abstrakte und ornamentale Formen, Buchstaben und Schriften zutrifft. In der Figuration liegt der Sinn deshalb in der Darstellung selbst, in ihrer speziellen Harmonie, im Gegensatz zur Illustration, die auf einen Gedanken außerhalb des Kunstwerks verweist.

Bei der Auswahl des Farbmaterials setzt der Künstler den jeweiligen Effekt gezielt ein. Neben den klassischen Materialien Bleistift, Farbstifte, Tusche, Tinte finden sich Kugelschreiber, Spray, Lack- und Glitzerstifte, hochglänzende Lacke, die direkt aus dünnen Tubenspitzen aufgetragen werden, Applikationen durch Klebestreifen, Bänder, collagierte Fotos und Zeitungsausschnitte und anderes mehr. Es gibt sie auch in Kombination mit drucktechnischen Verfahren[9], so bei den Monotypien der Serie „Die Engel des Russischen Feldes“[10] oder bei der Verwendung von speziell angefertigten Schablonen („Miniaturen im Paradies“[11]).

Grundsätzlich wird die spezifische Qualität des Papiers berücksichtigt. Das betrifft seine Farbe, seine Konsistenz und seine Stärke. Transparentes Papier lässt das Motiv auf der Rückseite durchscheinen; dies gibt dem Künstler die Möglichkeit, die Rückseite zusätzlich zu gestalten. In den „Zeichnungen auf Transparentpapier“[12] werden die Bleistiftzeichnungen der Vorderseite mit weißem Lackstift auf der Rückseite ergänzt, was zu zwei völlig unterschiedlichen Ansichten führt. Saugfähiges Papier wiederum lässt flüssige Farbe ein- bzw. durchsickern, auch diese „Durchdrucke“ bilden eine zweite Ansicht („Die Italienische Serie“). Oder die Rückseite wird mithilfe des Titels grafisch gestaltet, so geschehen bei den neunzehn Blättern des „Rosa Album“[13]. Das Papier kann auch bereits bedruckt sein („Gold“) oder von anderen Personen bemalt, wie in „Jahrhundert XX“. Hier integriert der Künstler Aktzeichnungen von Laien und  unterzieht diese Akte einer vollkommenen Metamorphose.

Während die meisten zeitgenössischen Künstler die Vielfalt der Medien benutzen, um das Fragmentarische, Unfertige, Willkürliche und Ungestaltbare des Kunstwerks zu betonen[14], führt Evgenij Kozlov seine Kompositionen über diese Stadien hinweg zu einem bewussten Abschluss – zur oben erwähnten  Harmonie, einem Schlüsselbegriff für sein Verständnis von der Kunst.[15] Dadurch werden die kleinen Arbeiten auf Papier, die gewissermaßen das Konzentrat der künstlerischen Idee bilden, unwiederholbar und kostbar. Er selbst hat sie im Zyklus „Jahrhundert XX“ folgendermaßen charakterisiert: „Diamanten, Smaragde, Saphire und Rubine der Gegenwartskunst, und auch Bernstein mit Fliegen.“

Aus diesem selbstgeschaffenen Reichtum schöpft der Künstler auch für seine Gemälde, ohne die Herkunft der Motive zu verleugnen: Linien und Konturen behalten auf der Leinwand nicht selten den zeichnerischen Duktus des kleinen Formates. Doch während die großen Bilder den Betrachter aus sich selbst heraussetzen, wie wenn er mit etwas konfrontiert wird, das nicht aus dieser Welt stammt, bleibt er bei den Arbeiten auf Papier ganz bei sich. Er hat das Gefühl, das Werk sei gerade für ihn geschaffen, was in ihm zuweilen eine gewisse Feierlichkeit erzeugt.

Hannelore Fobo, 2013

Семидесятые / The Seventies / Die Siebziger >>

Ольге от Валерия / To Olga from Valery / Für Olga von Valerij >>

Часослов / The Book of Hours / Das Stundenbuch >>

Итальянская серия / The Italian series / Die Italienische Serie >>



[1] Ленинградский альбом / The Leningrad Album / Das Leningrader Album, 256 Zeichnungen mit Text, circa 30 x 21 cm, 1967 – 1973

[2] Семидесятые / The Seventies / Die Siebziger, acht Blätter und ein Umschlag, beendet 2004

Ольге от Валерия / To Olga from Valery / Für Olga von Valerij, 5 Grafiken 1989 / 97, ergänzt durch vier Gemälde.

Часослов / The Book of Hours / Das Stundenbuch, zwanzig Grafiken, 2005

Итальянская серия / The Italian series / Die Italienische Serie, elf Werke, 2005

[3] Es gibt Arbeiten auf Papier auch in großen Formaten von bis zu 510 x 220 cm. Dabei handelt es sich aber in der Regel um Ausführungen von Entwurfsskizzen oder um parallel zu Gemälden entstandene Bilder.

[4] insgesamt 171 Blätter, http://www.e-e.eu/art-3.html

[5] „Книга для Людей, Принцесс и Принцев“ / „The Book for People, Princesses and Princes“ / „Das Buch für Leute, Prinzessinnen und Prinzen“, http://www.e-e.eu/Princes/index.html

[6] „Век ХХ“ / „Century XX“ / „Jahrhundert XX", http://www.e-e.eu/Century_XX/index.htm

[7] Das berühmteste Beispiel ist Leonardo da Vincis „Mona Lisa“.

[8] Massimiliano Gioni, Kurator der 55 Biennale di Venezia über das Leningrader Album „It is such a powerful, beautiful thing that I kept thinking and thinking and thinking of it. ... It is one of these things that really stuck in my memory for a long time.“  http://www.e-e.eu/Massimiliano-Gioni/interview-with-Massimiliano-Gioni.htm

[9] Es handelt sich hierbei immer um Originale. Es existieren ebenfalls Auflagendrucke (Lithographie, Siebdruck, Hochdruck, Kaltnadelradierung, Aquatinta).

[10] „Ангелы Русского Поля“ / „The Angels of the Russian Field” / „Die Engel des Russischen Feldes“, 12 übermalte Monotypien, 1994

[11] „Миниатюры в Раю“ / „Miniatures in Paradise” / „Miniaturen im Paradies“, hier speziell die „kleinen“ Miniaturen.

http://www.e-e.eu/Miniatures-in-Paradise/Miniaturen-im-Paradies-1.htm

[12] 50 Zeichnungen auf Transparentpapier, 1995 – 2001

[13] „Розовый альбом“ / „The Pink Album“ / „Das Rosa Album“. 19 Blätter und ein Umschlag 1991 / 1994, doppelseitig gerahmt.

[14] zum Beispiel Martin Kippenberger oder Jonathan Meese

[15] Siehe dazu seine kunsttheoretische Begriffsschöpfung CHAOSE ART http://www.e-e.eu/CHAOSE_ART/CHAOSE_ART_text1.htm